Digitalisierung von Prozessen
- Ein Fertigungsunternehmen führt Microsoft Teams ein, um einen nahtlosen digitalen Workflow auf Basis einer gemeinsamen Daten- und Informationsgrundlage sowie digitaler Kommunikationstools zu ermöglichen. Die Mitarbeiter erhalten im Zuge der Einführung gruppenweise eine einstündige Einweisung in die Grundfunktionen von Teams. Sie bilden anschließend ihre gewohnten, individuellen Dateiablagestrukturen getrennt voneinander in Teams nach und die Kommunikation erfolgt weiterhin über E-Mail und Telefon. Teams ersetzt also nur den bisherigen Server. Im Ergebnis hat das Unternehmen keinen Vorteil, sondern erleidet einen Effizienzverlust aufgrund von Zusatzaufwänden durch die „missbräuchliche“ Nutzung dieses Collaboration-Tools.
- Ein weltweit tätiger Hersteller von Motoröl führt eine zeitgemäße ERP-Software zur Unternehmensplanung und -steuerung ein, um Kosten zu sparen und Abläufe zu vereinfachen. Sie löst die bisherige, noch in Cobol geschrieben Software ab, die zuletzt nur noch von einem einzigen Mitarbeiter im Unternehmen beherrscht und gepflegt wurde. Weil der Unternehmenspatriarch aus Kostengründen bis zur letzten Minute mit der Umstellung wartete, lag ein hoher zeitlicher und emotionaler Druck auf dem Projekt zur Einführung der neuen ERP-Software. Es wurde in einer ad-hoc Aktion von einer eilends aufgebauten „Spezialisten-Truppe“ in Zusammenarbeit mit diversen Software-Häusern durchgeführt. Erwartungsgemäß geht die Einführung gründlich schief. Der Gewinn bricht danach um 30% ein.
Digitalisierung von Produkten und Dienstleistungen
- Der Bereich „Kühlen und Gefrieren“ eines deutschen Mischkonzerns möchte seine Kühlschränke über das Internet of Things und einer Cloud mit eigenen Smartphone Apps verbinden, um vor dem Hintergrund des Trends Home Automation seine Produkte wettbewerbsfähig zu gestalten. Das Unternehmen betritt damit Neuland. Es versäumt aber, die dafür notwendigen digitalen Experten oder geeignete Partner an Bord zu holen. Das Unternehmen geht davon aus, es selbst am besten zu können – wie in der Vergangenheit ja auch. Das Projekt gerät zum Fiasko. Die an sich schon hochpreisigen Geräte werden mit einem ordentlichen Aufschlag an die treue, aber qualitätsbewusste und anspruchsvolle Kundschaft als smarte Wundergeräte verkauft. Es funktioniert bis auf das Kühlen ansonsten aber nichts: Weder ist der Zugriff via App auf den Kühlschrank möglich, noch stehen die angekündigten Funktionen wie Bestandsmonitoring oder automatisierte Bestellungen zur Verfügung. Bis heute steht diese Generation der Geräte ohne smarte Funktionen beim Kunden. Das Unternehmen hat massive Einbußen an Gewinn und Reputation erlitten.
- Ein Maschinenbauunternehmen möchte seine Produkte mit Sensoren versehen und vernetzen, um den Anforderungen seiner Kunden vor dem Hintergrund der Industrie 4.0 genügen zu können. Aufgrund der siloartigen Organisationsstruktur und Kultur gibt es weder interdisziplinäre noch crossfunktionale Teams in der Produktentstehung. Man arbeitet auch bei der Entwicklung smarter Maschinen wie in der Vergangenheit sequenziell zusammen. Aufgrund mangelnder Erfahrung mit der Digitalisierung werden IT-Experten erst spät in das Projekt eingebunden, als das Design bereits festgelegt ist. Daher bleibt nur der Retrofit-Ansatz, um die gewünschten digitalen Funktionen zu realisieren. Unter Retrofit wird eigentlich die Modernisierung oder der Ausbau bestehender, meist älterer und nicht mehr produzierter Anlagen und Betriebsmittel verstanden. Insofern ist das keine gute Lösung und die erhoffte Leistungssteigerung bleibt aus. Das Unternehmen verliert spürbar an Wettbewerbsstärke.
Digitalisierung von Geschäftsmodellen
- Ein Hersteller von Premium-Heizungsanlagen vernetzt seine Heizungssteuerungen über das Internet of Things mit einer eigenen Cloud, um durch neue Serviceangebote auf Basis von Big Data den Umsatz und die Attraktivität seiner Heizungen zu steigern. Aufgrund fehlender Erfahrungen und Kompetenzen auf dem Gebiet der Digitalisierung herrscht allerdings Ratlosigkeit. Digitale Services werden nur rudimentär implementiert und nutzen nicht die täglich anfallenden, enormen Datenmengen. Es gelingt keine Monetarisierung, da die Services unattraktiv sind und auch kein digitales Geschäftsmodell unterlegt ist. Es wird nicht mal eine Abteilung für digitales Business eingerichtet, um wenigstens passende Organisationsstrukturen zu schaffen. Heute stellt sich das Vorhaben als Fehlinvestition in Millionenhöhe dar, verbunden mit einer tiefen Enttäuschung der Kunden und Verlust an Reputation.
- Vor einigen Jahren bekam es das größte europäisches Versandhaus mit einem damals kleinen, digitalen Startup aus den USA zu tun. Das Versandhaus verschickte dicke Kataloge, in dem Kleidung und Haushaltsgegenstände mit Stift und Eselsohr an der Seite markiert wurden. Anschließend wurde vom Kunden eine Bestellung per Post oder Fax verschickt, am Telefon durchgegeben oder in einem Shop nebenan aufgegeben. Die Waren befanden sich in eigenen, riesigen Lagern und wurden mit leistungsfähigen Anlagen versandt. Das Startup Vertrieb seine Waren dagegen ausschließlich über das Internet und mit Hilfe von Zwischenhändlern, was die Lieferkosten deutlich verringerte. Damit konnte es billigere Preise anbieten. Trotzdem nahm der damalige Platzhirsch das Startup zunächst kaum zur Kenntnis, später belächelte es dieses. Erst als es zu spät war, versuchte das Versandhaus selbst den Online-Einstieg, musste sich 2009 aber geschlagen geben und meldete Insolvenz an. Das etablierte Unternehmen scheiterte an der Digitalisierung.